Die Berlinische Galerie zeigt Jeanne Mammen. Die Ausstellung präsentiert einen vielschichtigen Ausschnitt aus dem Werk der Malerin und Zeichnerin, die 1890 in Berlin geboren wurde und 86-jährig hier starb. Dazwischen lag eine ereignisreiche, von zwei Weltkriegen geprägte Zeit, in der die Künstlerin sich nie vereinnahmen ließ und trotz Entbehrungen immer ihren künstlerischen Weg verfolgte.
„Nur ein Paar Augen sein. Ungesehen durch die Welt gehen und die anderen sehen”, das war Jeanne Mammens Maxime. Als die Kuratorin während einer Führung durch die Ausstellung diesen Satz der Künstlerin zitiert, muss ich schmunzeln, denn er klingt in Bezug auf unsere jetzige Welt so fremd. Gesehen werden, gerade dieser Wunsch gehört doch zu unserem heutigen Alltag, wie kaum ein anderer. Wir dokumentieren unser Leben, auf Facebook, auf Instagram, auf Blogs. Jeder der will, kann teilhaben. Wir sind öffentlich, wahrnehmbar auf allen Kanälen, bewusst und gewollt. Jeanne Mammen hingegen porträtierte ihr Leben über die Bilder, die sie schuf, in denen sie sich nicht selbst in den Vordergrund rückte, sondern die anderen und ihre Umwelt. Weniger sichtbar war sie dadurch nicht. Im Gegenteil. Ihre grazilen Bilder von Frauen, die lasziv, in schönen Kleidern, modischen Kopfbedeckungen, mal rauchend, mal trinkend, immer ernst, manchmal schmollend, mit einer sprühenden Arroganz wirken. Sie zeigen, wie die Künstlerin die Welt sah, und beziehen so eindeutig Stellung.
Ausnahmekünstlerin in der Berlinischen Galerie
Jeanne Mammen lässt nichts aus. Sie war eine begnadete Beobachterin, das fällt sofort auf, studiert man ihre Bilder. Detailversessen, exakt und mit einem Bildwitz, der zuweilen böse anmutet, aber nie unpassend scheint. Und natürlich wollte auch sie gesehen werden, aber über ihre Kunst, schließlich lebte sie von ihr; anfänglich nicht schlecht, bis zum Nationalsozialismus, der ihr ihre Auftraggeber, Zeitungen und Magazine, nahm. Die Zeichnungen und Aquarelle, die in den 1920er Jahren über das Berliner Großstadtleben entstanden, gefallen mir am besten. Die Goldenen Zwanziger – wie oft habe ich mir schon gewünscht, mit einer Zeitmaschine in eben diese reisen zu können. Oder wie in Woody Allens Film Midnight in Paris einfach in einen Oldtimer einzusteigen und mich auf einer Party mit F. Scott Fitzgerald und Josephine Baker wiederzufinden. Was wäre das für ein Spaß, aber er bleibt eine Träumerei. Stattdessen stelle ich mir vor, wie Jeanne Mammen durch die Cafés, Bars und Straßen ihrer Heimatstadt Berlin zog, ihr Skizzenbuch in der Tasche, ihr Blick, wie die Linse einer Kamera zielgerichtet auf das sie umgebende Geschehen. Jeanne Mammens Bilder erzählen Geschichten, die ich in meinem Kopf weiterspinne. Da ist die Rothaarige, die selbstbewusst an einem Tisch sitzt. Kühler Blick, feuriges Haar, eine Erscheinung, die jeder anderen die Show stiehlt. Da ist das Paar, das in Ostende am Strand auf einer Decke hockt, in Gedanken verloren, abweisend, kühl. Da sind die Revuegirls und die Mannequins und da ist Jeanne Mammen selbst, in einem schwarzen Kleid, konturlos, der Blick aus großen Augen auf eine schöne Art eigensinnig, die Hände im Schoß gefaltet, vollkommen unaufgeregt; ganz im Gegensatz zu den Figuren, die sie erschuf. Sie kommentierte das Geschehen mit ihrem Zeichenstift und kreierte ein Abbild ihrer Zeit, das genauer nicht sein konnte. Das gefällt mir. Vor allem aber gefällt mir die Haltung der Künstlerin, die so gerne im Hintergrund blieb und stattdessen ihre Beobachtungen in den Vordergrund rückte. Jeanne Mammen wollte als Person im Verborgenen bleiben, und als Künstlerin gesehen werden. Das fehlt uns heute an der einen oder anderen Stelle. Dabei würde es uns allen zuweilen ganz gut tun.
Liebe Steph, interessant, was du so alles machst! Dein Post auf FB hat mich zu Deinem Blog gebracht und Dein Text über die Malerin bringt mich vermutlich auch in die Ausstellung, von der ich bisher noch nichts gehört hatte. Danke schön :-), Simone