In Tschechien wurde am vergangenen Wochenende gewählt. Ich war zur selben Zeit für einen Filmauftrag zu einem ganz anderen Thema dort. Entziehen konnte ich mich allerdings dem Thema nicht, denn die bevorstehende Wahl des Präsidenten war allgegenwärtig.
Eigentlich hat das Staatsoberhaupt im parlamentarischen System des Landes, ähnlich wie in Deutschland, größtenteils eine repräsentative Aufgabe, aber der amtierende Präsident mischte sich in den vergangenen fünf Jahren seiner Amtszeit immer wieder in die operative Politik ein. Und aufgrund einer Verfassungsänderung 2012 war er auch der erste Präsident, der direkt vom Volk gewählt wurde. So auch diesmal. Die Tschechen, mit denen ich im Vorfeld sprach, waren gespannt, was kommen würde und vor allem setzten sie auf einen Wechsel, wollten eine Veränderung. Fünf Jahre Miloš Zeman seien genug, erzählten sie mir. Zeman sei zwar ein kluger Mann und ein erfahrener Politiker, aber er sei einfach peinlich und schwer krank dazu, es sei also höchste Zeit für seinen Abgang. Zur Wahl standen neben dem 73-jährigen Amtsinhaber, der Chemieprofessor Jiří Drahoš. Fünf Jahre jünger als Miloš Zeman und absoluter Politikneuling. Er versprach neuen Wind. Doch er bekam keine Gelegenheit, sich zu beweisen.
Miloš Zeman bleibt Präsident in Tschechien
Am Samstagabend stand fest: Miloš Zeman bleibt. Sein Vorsprung zu seinem Herausforderer war zwar gering, aber er reichte aus: 51,4 % gegen 48,6 %. In der Hauptstadt Prag herrschte nach der Abstimmung Katerlaune. In Cafés und auf der Straße sah ich junge Menschen mit roten Broschen in der Form einer Unterhose. Ich wunderte mich, was es wohl damit auf sich hatte. Eine Bedienung in einem Restaurant klärte mich auf. Der Ursprung dieses Protestsymbols war eine Künstleraktion. 2015 hisste eine Gruppe von Aktivisten eine riesige rote Unterhose an den Fahnenmast über der Prager Burg, den Sitz des Präsidenten. Sie sollte ein Sinnbild sein, für einen Staatsmann, der sich für rein gar nichts schämte. Weder dafür, dass er sich mit Diktatoren traf, noch für seine Nähe zu Russland und China. Die junge Frau in dem Restaurant klang enttäuscht und wütend, während sie erzählte, denn sie war überzeugt davon, dass der Ausgang der Wahl in keiner Weise der Meinung der Hauptstädter entspräche, die seien nämlich geschlossen gegen Zeman. Die Stimmen der Prager hatten aber nicht ausgereicht. Während in der Hauptstadt und in anderen großen Städten der alte Präsident maßgeblich an Stimmen verlor und sein Konkurrent gewann, siegte Miloš Zeman hingegen in den ländlichen Regionen.
Katerstimmung in Prag
Und auch auf dem Filmset spürte ich die gedrückte Atmosphäre der jungen, kreativen Tschechen, die sich nach einem liberalen, pro-europäischen Tschechien sehnen. Sie berichteten, dass nach der Wahl das ganze Land betrunken gewesen sei. Die eine Hälfte, weil sie den Sieg Zemans gefeiert hätten, die andere, weil es für Drahoš nicht ausgereicht hatte. Das Land ist gespalten, der Kater wird sich nur langsam schleichen, so mein Eindruck.