Corona Diary – 24. März 2020

Bitte Distanz halten

Filmarbeit ist Teamarbeit. Das gerade empfohlene Homeoffice ist für mich nur für die Recherche eines Themas und die Redaktion möglich, geht es ans Drehen oder Schneiden, fängt die Herausforderung schon an. Die Arbeitsweisen und das ganze Miteinander während eines Drehs müssen sich verändern, auch hier sollten Mindestabstände eingehalten werden, aber das ist nicht immer einfach, vor allem im Eifer des Gefechts. Wie nährt man sich einem Thema und ProtagonistInnen, wenn man sich eigentlich gar nicht annähern darf? Wie entwickelt sich das so wichtige Vertrauen, das die Grundlage für eine gute Filmarbeit ist, wenn es heißt: Bitte Distanz halten? Und wie stelle ich kritische Fragen, wenn die ProtagonistInnen zwei Meter von mir entfernt stehen? In Zeiten von Corona krempelt sich unser komplettes Leben um, privat und beruflich.

Journalismus in Zeiten der Pandemie

Auf der einen Seite sind lang geplante Filmprojekte sowieso erst einmal auf Eis gelegt aber hoffentlich nur verschoben worden. Auf der anderen Seite müssen die aktuellen Fernsehsendungen weiter mit Beiträgen gefüllt werden. Die Kultureinrichtungen, Theater, Konzerthäuser, Galerien und Museen sind von der Coronapandemie besonders betroffen. Alle Veranstaltungen wurden vorerst abgesagt. Und auch Fernsehsendungen, die sich ausschließlich mit kulturellen Themen beschäftigen, müssen erfinderisch sein, um über etwas zu berichten, das zur Zeit gar nicht stattfindet – zumindest nicht in der üblichen Art und Weise.

Kultur und Kunst

Für das Kulturmagazin des rbb habe ich diese Woche den Fotografen Sebastian Wells getroffen. Gemeinsam mit meinem Mann, der auch Kameramann ist und einem Tonmeister, habe ich Sebastian für einige Stunden durch Berlin begleitet. Seit dem Ausbruch der Pandemie dokumentiert er, wie sich das Leben in seiner Heimatstadt mehr und mehr verändert. Das lässt sich besonders gut an Orten sehen, die wir alle als lebendige, dynamische, oft hektische Treffpunkte in der Stadt kennen. Der Alexanderplatz, das Sony-Center oder Checkpoint Charlie. Diese Touristenattraktionen sind zurzeit verwaist, fast menschenleer. Ich erkenne meine Stadt nicht wieder. Berlin, fast still, gespenstisch leer, viele surreale Momente, aus denen man aufwachen möchte. „Wie in einem schlechten Hollywoodfilm”, antwortet uns Sebastian Wells, auf die Frage, wie er die Atmosphäre mit Worten beschreiben würde.

Ich bin hin und her gerissen. Ein toller Job, ein starker Protagonist, eine Stadt, die sich täglich verändert und einen ganz anderen Blick auf sie erlaubt. Ich ertappe mich dabei, für kurze Momente froh zu sein, Berlin an einem ganz „normalen” Tag so pur erleben zu können. Aber auch Arbeitsabläufe, an die ich mich gewöhnen muss. Können wir an dieser Situation wachsen oder wird uns das Virus um Jahrzehnte zurückwerfen?

© | Stephanie Drescher

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