Das Tragen von Masken
Heute ist der 1. April 2020, aber niemandem ist so richtig zum Scherzen zumute. Die Kontaktbeschränkungen schlagen langsam aufs Gemüt und das Wissen darum, dass sie ganz sicher noch einige Zeit andauern werden, lassen mich nicht besonders gelassen in die Zukunft schauen. Zum Glück scheint die Sonne, sonst hätte ich das Gefühl von mittelgroßer Endzeitstimmung. Ein Thema wird außerdem immer präsenter – nicht nur in den Medien – sondern auch im Stadtbild: das Tragen von Masken.
Modisches Accessoire oder Schutz
Noch vor einer Woche, als ich auf dem Alexanderplatz einen sehr modischen jungen Mann, mit einem sehr modischen Mundschutz sah, dachte ich, jede neue Situation – sei sie positiv oder zum verrückt werden besorgniserregend – beflügelt die Kreativität. Unter stilistischen Aspekten gefiel mir dieses seltene Requisit ziemlich gut, schwarzer Stoff mit Goldfäden, von beiden Seiten tragbar – was bezogen auf den Schutz vor Viren natürlich fragwürdig ist – aber das sind die Stoffmasken ja sowieso.
Aber die Vorstellung, dass die Maske nicht nur Accessoire, sondern Pflicht werden könnte, erzeugt in mir befremdliche Gefühle. Der Grund ist nicht, dass ich so eine Maske nicht tragen möchte, sondern eher, dass es einen neuen Punkt im Regelkatalog geben könnte, der mich in meiner Freiheit noch mehr einschränkt, als es nicht sowieso momentan schon der Fall ist. Und all diese neuen Maßnahmenregeln – so wichtig sie sind – bringen ja auch einige Absurditäten ans Tageslicht.
„Das sind die Regeln”
Zum Beispiel wollte ich gestern für eine Freundin Blumen kaufen – die ich natürlich nur auf zwei Meter Abstand überreicht hätte. Aber dazu kam es dann gar nicht. Da alle Blumengeschäfte geschlossen sind, musste ich auf einen großen Discounter ausweichen. Im Eingang stehen dort inzwischen Sicherheitsleute, was schon bedrohlich genug wirkt, wie ich finde. Dieser Sicherheitsmensch forderte mich nun auf, einen riesigen Einkaufswagen aus der Einkaufswagenschlange zu ziehen, sonst dürfe ich den Laden nicht betreten. Ich lächelte und antwortete, dass ich nur einen Blumenstrauß kaufen wolle und keinen Wagen benötige. „Sie brauchen einen Einkaufswagen, sonst dürfen Sie nicht rein”, war die Antwort. „Ich möchte wirklich nur Blumen kaufen, nichts weiter”, wiederholte ich noch einmal, ziemlich sicher, dass das überzeugend genug sei. Aber ohne Einkaufswagen, keine Blumen. „Das sind die Regeln”, triumphierte mein Gegenüber, „denn Einkaufswagen garantieren den Sicherheitsabstand.“
Ich bin ohne Blumen, dafür aber ziemlich wütend gegangen. „Das-sind-die- Regeln“-Sätze, verursachen in mir juckenden Ausschlag und ich kann leider für nichts mehr garantieren. Einzige Ausnahme, die Regeln ergeben einen Sinn, aber der hat sich mir leider in dieser Situation nicht erschlossen.
Neue Ideen für neue Situationen
Die Freundin, für die die Blumen gedacht waren, ist Schneiderin, mit einem kleinen, sehr feinen Atelier in Berlin. Da sie gerade keine Nähkurse geben darf und ihr Atelier für KundInnen geschlossen ist, näht sie Schutzmasken, aus den schönsten Stoffen, inzwischen auch auf Anfrage. Natürlich wollte ich auch eine Designerinnenmaske, zum einen, um meine Freundin zu unterstützen, zum anderen aus Solidarität. Ich weiß, die Stoffmasken können mich nicht wirklich vor den Coronaviren schützen, dazu bräuchten sie noch einen speziellen Filter, aber sie können zu einem gewissen Grad mein Gegenüber schützen. Für mich ein ausreichender Grund, die Maske zukünftig beim Einkaufen zu tragen, freiwillig, denn das ergibt für mich einen Sinn.
© | Stephanie Drescher